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Das Rederecht des Mitglieds in der Mitgliederversammlung

Oder: Zu kurze Redezeit gefährdet die Wirksamkeit der Beschlüsse!

von Rechtsanwalt Patrick R. Nessler, St. Ingbert*

 

Ein Mitglied hat gegenüber dem Verein nicht nur Pflichten, sondern auch grundlegende Rechte. Diese durch die Mitgliedschaft erlangten Rechte des Mitglieds werden üblicherweise in Mitverwaltungsrechte, Benutzungsrechte und Schutzrechte eingeteilt. Hinzu kommt das Informationsrecht, das als notwendiges Hilfsrecht die übrigen Rechte sichert und ergänzt (MüKoBGB/Leuschner, 8. Aufl. 2018, BGB § 38 Rn. 11). Aus dem Mitverwaltungsrecht eines Mitglieds ergibt sich, dass grundsätzlich jedem Mitglied in der Mitgliederversammlung das Rederecht zusteht (Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, 14. Aufl. 2018, Rn. 2-1396).

 

Das Kammergericht (KG) Berlin hatte über die Frage zu entscheiden, ob eine zwar gewährte, aber sehr kurze Redezeit, eine Verletzung des Mitgliedschaftsrechts darstellt und welche Folgen das für die dann von der Mitgliederversammlung gefassten Beschlüsse hat. Das Registergericht hatte es abgelehnt, von der Mitgliederversammlung beschlossene Satzungsänderungen einzutragen. Es war der Auffassung, dass die entsprechenden Beschlüsse wegen der Verletzung des Rederechts der Mitglieder unwirksam seien. Die Mitgliederversammlung hatte vor der Entscheidung über die Satzungsänderungen beschlossen, dass jedem Redner nur eine Minute zustehen soll.

 

Das KG Berlin gab dem Registergericht Recht (Beschl. v. 23.12.2019, Az. 22 W 92/17) und führte aus, dass sich die Versammlung grundsätzlich der sachgemäßen Erörterung der Gegenstände der Tagesordnung unterziehen und die dafür und die dagegensprechenden Argumente der einzelnen Mitglieder anhören muss. Die Beschränkung der Redezeiten ist nur dann zu lässig, wenn ein Bedürfnis nach einer solchen Regelung besteht und diese so ausgestaltet ist, dass sie das Interesse der Mitglieder an einer zügigen und effektiven Durchführung der Versammlung einerseits und das Teilhaberecht der Rede auf der Versammlung andererseits angemessen zum Ausgleich bringt. Voraussetzung für redezeitbeschränkende Maßnahmen ist die objektive Gefährdung zwingender zeitlicher Grenzen der Versammlung, der bloße Wunsch nach einer zügigen Versammlung ist nicht ausreichend.

 

Vorliegend bestand die Mitgliederversammlung aus 95 Teilnehmern. Bei einer solchen Anzahl ist, so das KG Berlin, eine Redezeitbegrenzung zwar nicht offenkundig überflüssig. Die Tagesordnung war mit 32 Punkten auch nicht so kurz, dass sie eine überlange Versammlungs-dauer jedenfalls nicht befürchten ließ. Das Interesse der Mitglieder an einer zügigen Durchführung der Versammlung ist letztlich ebenfalls gleichfalls Ausdruck ihres Teilnahmerechts.

 

Trotzdem wurde nach Auffassung des KG Berlin das Rederecht der Mitglieder durch die Redezeit von einer Minute nicht unerheblich eingeschränkt. In einer Minute eine Auffassung zu einer bestimmten Frage darzulegen, stellt selbst für einen geübten Redner eine Herausforderung dar. Die Redezeit von nur einer Minute ohne konkrete Gefährdungslage stelle sich als unangemessen kurz und damit unzulässig dar, zumal nicht ersichtlich sei, dass vorliegend eine weniger einschneidende Beschränkung nicht auch zur Durchführung der Versammlung in zumutbarer Zeit geführt hätte.

 

Folge der Verletzung des Teilhaberechts ist, so das KG Berlin, die Nichtigkeit der Beschlüsse der Mitgliederversammlung. Der Verfahrensfehler führe zur Nichtigkeit, weil der Fehler für ein objektiv urteilendendes Vereinsmitglied relevant für die Ausübung der Mitgliedschafts- bzw. Mitwirkungsrechte ist. Die Beschränkung der Redezeit berühre unmittelbar das grundlegende Mitgliedschaftsrecht auf Teilhabe und Einflussmöglichkeit auf die Willensbildung der Versammlung. Die Relevanzschwelle sei damit überschritten. Auf Kausalitätserwägungen komme es nicht an.

 

Letztlich stellte das KG Berlin klar, dass die Willensbildung der Mitglieder zur Entscheidung über Beschlussfassungen nicht nur dem Schutz der einzelnen Mitglieder dient, sondern den übergeordneten Interessen des Vereins, so dass es auch nicht auf einen etwaigen Widerspruch des in seinen Rechten verletzten Mitglieds ankommt.

 

Fazit:

Alle in der Mitgliederversammlung anwesenden Mitglieder haben ein Rederecht. Die Redezeit darf nur beschränkt werden, wenn es dafür zwingende Gründe gibt und die Beschränkung selbst in einem angemessenen Verhältnis zum Rederecht der Mitglieder steht. Wird dieses Rederecht verletzt, führt dies zur Unwirksamkeit der entsprechenden Beschlüsse der Mitgliederversammlung. Die Beschlüsse sind selbst dann nichtig, wenn die betroffenen Mitglieder die Ihnen nicht ordnungsgemäß gewährte Redezeit nicht beanstanden.

 

Stand: 18.06.2020

 

Rechtsanwalt Patrick R. Nessler ist bereits seit 2004 Generalsekretär des Deutschen Betriebssportverbandes e. V. und seit 2015 auch Justiziar des Landessportverbandes für das Saarland sowie Mitglied des Ausschusses für Rechts- und Satzungsfragen des Landessportbundes Berlin e.V.. Seit März 2016 ist er Dozent für Sport- und Vereinsrecht an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement.

Rechtsanwalt Patrick R. Nessler
DBSV-Generalsekretär
Kastanienweg 15
D-66386 St. Ingbert

Tel.: 06894 9969237
Fax: 06894 9969238
Mail:


Oder: Wann stimmen genügend Mitglieder zu?

von Rechtsanwalt Patrick R. Nessler, St. Ingbert*

 

In einem Verein oder Verband sind viele Beschlüsse von der Mitgliederversammlung zu fassen. Nach § 32 Abs. 1 Satz 3 BGB entscheidet bei der Beschlussfassung grundsätzlich die Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Zu diesen Beschlüssen gehören z. B. auch Wahlentscheidungen (BGH, Urt. V. 28.11.1988, Az. II ZR 96/88). Dies gilt nur dann nicht, wenn die Satzung (§ 40 BGB) oder das Gesetz (z.B. für Satzungsänderungen und Vereinsauflösung) ein anderes Mehrheitserfordernis aufstellt.

Das Kammergericht (KG) Berlin hat in einer aktuellen Entscheidung (Beschl. v. 23.05.2020, Az. 22 W 61/19) noch einmal klargestellt, dass die “einfache Mehrheit” für einen Beschluss erreicht ist, wenn für den Beschlussgegenstand mehr Stimmen abgegeben werden als gegen ihn. Dabei kommt es nach der gesetzlichen Regelung nur auf die bei der konkreten Abstimmung abgegebenen Stimmen an, nicht auf die Zahl der anwesenden (stimmberechtigten) Mit-glieder an. Enthaltungen werden nicht mitgezählt.

 

Hiervon zu unterscheiden ist die „relative“ Stimmenmehrheit, bei der es genügt, dass eine Abstimmungsalternative mehr Stimmen erhält als eine der anderen. Soll die nach § 32 Abs. 1 Satz 3 BGB geltende Mehrheitswahl modifiziert und anstelle der einfachen die relative Mehrheit maßgebend sein, so bedarf dies nach der zwingenden Vorschrift des § 40 BGB einer entsprechenden Bestimmung in der Satzung. Die dahingehende Regelung muss aus der Satzung klar ersichtlich sein (OLG München, Beschl. v. 29.01.2008, Az. 31 Wx 78/07, 31 Wx 81/07; BGH, Urt. v. 28.11.1988, Az. II ZR 96/88; BayObLG, in: FGPrax 1996, 74/75; OLG Schleswig, Beschl. v. 12.01.2005, Az. 2 W 308/04).

 

Sofern die Beschlussfassung Gegenstände betrifft, die zur Eintragung in das Vereinsregister anzumelden sind (z.B. Wahl neuer Vorstandsmitglieder in den nach § 26 BGB vertretungsberechtigten Vorstand oder Satzungsänderungen), muss beachtet werden, dass bei der Anmeldung zum Vereinsregister auch die Abschrift der Urkunde eingereicht werden muss, aus der sich der Beschluss ergibt (z. B. bei Satzungsänderungen: § 71 Abs. 1 Satz 3 BGB).

 

Nach dem Beschluss des KG Berlin muss sich aus der Urkunde (meist das Protokoll der Mitgliederversammlung) auch ergeben, dass der Beschluss mit der dafür notwendigen Mehrheit gefasst worden ist. Dafür genügt es nicht, dass nur die Gesamtzahl der anwesenden stimmberechtigten Personen und die Zahl der Ja-Stimmen in dem Protokoll aufgeführt sind. Vielmehr müssen auch die Nein-Stimmen angegeben werden, so das KG Berlin.

 

Selbst wenn in dem Protokoll z. B. die Feststellung des Versammlungsleiters enthalten sind, dass die Kandidaten in die Vorstandsämter gewählt oder die Satzungsänderungen wirksam beschlossen seien, ändern an den Anforderungen an das Protokoll zu der Angabe der Zahlen der Ja- und der Nein-Stimmen nichts. Denn der Feststellung des Abstimmungsergebnisses kommt im Vereinsrecht keine konstitutive Wirkung zu, da es kein fristgebundenes Anfechtungsrecht wie etwa bei der Aktiengesellschaft gibt (KG Berlin unter Hinweis auf BGH, Urt. v. 12.01.1987, Az. II ZR 152/86; OLG Schleswig, Beschl. v. 12.01.2005, Az. 2 W 308/04).

 

Fazit:

Bei Abstimmungen im Verein oder Verband sind zwingend die Zahlen der Ja- und der Nein-Stimmen festzustellen und im Protokoll festzuhalten. Ansonsten kann das Registergericht mangels Vorlage einer den gesetzlichen Erfordernissen entsprechenden "Urkunde" die Eintragung verweigern.

Stand: 11.10.2020

 

Rechtsanwalt Patrick R. Nessler ist bereits seit 2004 Generalsekretär des Deutschen Betriebssportverbandes e. V. und seit 2015 auch Justiziar des Landessportverbandes für das Saarland sowie Mitglied des Ausschusses für Rechts- und Satzungsfragen des Landessportbundes Berlin e.V.. Seit März 2016 ist er Dozent für Sport- und Vereinsrecht an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement.

Rechtsanwalt Patrick R. Nessler
DBSV-Generalsekretär
Kastanienweg 15
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Veröffentlichung

Do, 18. Juni 2020

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